II. Stationen Jüdischer Geschichte in Deutschland
1878

Gründung der antisemitischen „Christlich-Sozialen Arbeiterpartei“; Beginn des modernen Antisemitismus – Hofprediger Adolf Stoecker: „… (wir) müssen den gifigen Tropfen der Juden aus unserem Blute loswerden“; Heinrich von Treitschke: „Die Juden sind unser Unglück“

1900

In Deutschland leben etwa 500 000 Juden

1914 – 1918

Erster Weltkrieg; in Deutschland nehmen ca. 100 000 jüdische Freiwillige am Krieg teil als Beweis ihrer Vaterlandsliebe, 12 000 von ihnen fallen; auf Druck einflussreicher Antisemiten findet im November 1916 die diskriminierende „Judenzählung“ statt – der verlustreiche Krieg braucht Sündenböcke („Dolchstoßlegende“, „Judenrepublik“)

1917

Mit der Balfour-Declaration des britischen Außenministers wächst die Hoffnung auf eine „Jüdische Heimstätte in Palästina“ und damit auf einen eigenen jüdischen Staat

1918

Die Zahl von „Ostjuden“ verdoppelt sich während des Krieges, unter ihnen sind auch
Zwangsarbeiter; Europas politische Ordnung zerbricht mit dem Ende des Ersten Welt- kriegs; dies gilt auch für den Nahen und Mittleren Osten; in Deutschland herrscht Re- volution; am 9. November ruft Scheidemann die deutsche Republik aus

1919

Am 1. Januar gründen Karl Liebknecht und die polnische Jüdin Rosa Luxemburg die Kommunistische Partei Deutschland (KDP); am 5. Januar beginnt der Spartakusaufstand; am 15. Januar werden beide verhaftet und ermordet; der Aufstand wird nieder- geschlagen.
28. Juni: Unterzeichnung des Versailler Vertrags; 31. Juli: Die Republik erhält ihre Ver- fassung, zum ersten Mal wird die Praxis der Gleichberechtigung für Juden verwirklicht
(Zugang zu Funktionen im öffentlichen Dienst, an Universitäten usw., Gleichstellung der
jüdischen Religion mit anderen Konfessionen); 24 Juden sind Abgeordnete im Reichs- tag, zwischen 1919 und 1924 gibt es sechs jüdische Reichsminister; es kommt zu einer Phase jüdisch kultureller Renaissance, Kreativität und wirtschaftlichen Aufschwungs in einer kurzen, politisch entspannten Zeit.
Als Instrument zur Abwehr des Antisemitismus gründet Leo Löwenstein (ehem. Hauptmann) den Reichsbund jüdischer Frontsoldaten

1922

Walther Rathenau (1921 Reichsminister für Wiederaufbau, 1922 des Auswärtigen) wird von rechten Nationalisten nach demagogischer Hetze am 24. Mai ermordet, u.a. wegen seiner Politik der Verständigung und Erfüllung der Reparationsforderungen; deutsche Zionisten weiten ihre Aktivitäten aus

1929

Weltwirtschaftskrise; rechte Parteien und Antisemitismus gewinnen an Boden; die „Judenfrage“ wird in allen gesellschaftlichen Kreisen diskutiert

1930

In Deutschand leben etwa 500 000 Juden, weniger als 0,8 % der Gesamtbevölkerung; Deutschland wird zahlungsunfähig, 5 Millionen Menschen werden arbeitslos; bei den Wahlen werden die Nationalsozialisten zweitstärkste Partei, Hitler macht die Juden für die sozialen und wirtschaftlichen Probleme verantwortlich
(„Der Jude ist wohl Rasse, aber nicht Mensch“, Adolf Hitler 1923)